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12. Juni 2024

Agilität

Das Epic im SAFe – Wenn der Slice den Wert zerstört

Du dachtest durch Lean Portfolio Management wird alles einfacher und trotzdem verzweifelt dein Team beim Erreichen von Epics? Hier erfährst du, wie du durch Epic-Slicing deinen Flow in agilen Projekten verbessern kannst und nicht den Wert zerstörst.

Lesezeit:

Inhalt

Bedeutung von Epics in SAFe – was sind Epics?

Lean Portfolio Management (LPM) ist SAFe’s Antwort auf die Lösung von Problemen im Projektmanagement. Epics sind große, strategische Initiativen innerhalb eines Lean Portfolios, die signifikante Geschäftswerte liefern und mehrere Teams über längere Zeiträume hinweg beschäftigen können.

Viele haben trotz SAFe LPM Zertifizierung Herausforderungen damit, Epics wirklich zu verstehen und mit diesen zu arbeiten. Nicht selten scheitert das Vorhaben oder liefert nicht die gewünschten Ergebnisse. Der Hauptzweck von SAFe Epics besteht darin, die langfristigen Visionen und Ziele eines Unternehmens in umsetzbare Schritte zu übersetzen, welche kontinuierlich überwacht und angepasst werden.

Eigentlich eine triviale Idee, wieso kommt es dann dazu, dass dennoch viele Portfolio-Manager Probleme mit ihnen haben? Und welche Möglichkeiten gibt es, um diesen Problemen gegenüberzutreten?   

Das Problem mit Epics in der Agilität  

Der Grundgedanke, große Themen in kleinere, leichter und schneller umsetzbare Aufgaben aufzuteilen, scheint logisch. In ihrer Umsetzung stoßen Projektmanager allerdings häufig auf die Herausforderung, Klarheit in die einzelnen Aufgaben zu bringen, was zu Überforderung führt – und somit das Gegenteil des eigentlichen Ziels eintritt. Darüber hinaus fehlt oft die kontinuierliche Überwachung und Anpassung, wodurch wichtige Feedbackschleifen und Iterationen vernachlässigt werden.

Epic Slicing – Was ist Epic Slicing?

Epic Slicing beinhaltet bewährte Methoden und klare Kriterien, die dabei helfen, die kleineren Themen effektiv zu definieren und zu priorisieren. Das Vorgehen ist dir sicherlich bekannt. Beim Epic Slicing wird das Epic in kleinere Features unterteilt. Damit wird Komplexität herausgenommen, es können Micro-Experimente definiert werden und unterschiedliche ARTs oder auch Teams können zur Umsetzung des Epics beitragen. Das Slicing schafft es Koordinierungsaufwände zu verringern und alles später wieder zu integrieren.   

Ist Epic Slicing denn immer so einfach umzusetzen? Vielleicht hat dich diese Frage bzw. diese Herausforderung ja zu diesem Artikel gebracht. Hier erfährst du, wann Epic Slicing sich eignet und in welchen Situationen es zu Herausforderungen führen kann.   

Nachteile des Epic Slicing – Slicing kann den Wert mindern    

In der Theorie ist die Unterteilung großer Arbeitsaufgaben in mehrere kleinere eine effiziente Strategie. Es gibt jedoch Situationen, bei denen die Aufteilung des großen Vorhabens den Wert zerstören könnte, vielleicht ist dir dieser Fall bei deiner Transformation schonmal begegnet. Irgendwo wird Irgendwer gesagt haben: “Das macht aber doch gar keinen Sinn.” – und es gibt eine Wahrscheinlichkeit, dass diese Person damit recht hatte.  

Um das Ganze etwas einfacher zu gestalten, schauen wir uns ein Beispiel an.   

Im Unternehmen soll ein neues globales Sicherheitssystem implementiert werden. Das Geschäftsziel dieses Epics ist, dass das gesamte Unternehmen vor Cyber-Bedrohungen geschützt ist. Um dieses zu erreichen, stehen folgende Optionen zur Wahl:   

  1. Ein einzelnes großes Epic: Bei diesem Thema handelt es sich um ein ziemlich großes und komplexes Vorhaben mit umfangreichen Anforderungen. Handelt man nach der WSJF-Priorisierung zur Strukturierung von Aufgaben würde dieses Epic nahezu nie behandelt werden, da es mit seiner Komplexität und Größe die kleineren Themen überlagert und somit die Implementierung des Sicherheitssystems nie abgeschlossen wird.   
  1. Zerteilung in mehrere kleine Epics: Versucht man Epic-Slicing (hier nicht in Feature gedacht, sondern mehrere kleine Epics) könnte eine schrittweise Implementierung zwar teilweise zum Geschäftsergebnis beitragen, der Gesamtwert wird jedoch verfehlt. Splittet man das Epic beispielweise so auf, dass Standort XY vor Cyberbedrohungen geschützt ist, wird zwar eine Teilaufgabe schneller umgesetzt werden, das Unternehmen als Ganzes bleibt aber weiterhin verwundbar und somit wird der volle Wert des Sicherheitssystems nicht realisiert.   

Es handelt sich um einen Zielkonflikt, auf den es keine „richtige“ Antwort geben wird. Alles, was getan werden kann ist, den Zielkonflikt zu verstehen und die Dinge von Fall zu Fall zu betrachten. Wenn du dich vor “alles-oder-nichts“ Szenarien findest, kann das ein guter Indikator zum Management von Epics sein.

Ein einzelnes großes Epic

Das Epic erfasst den Wert für das Unternehmen genau. Um diesen Wert zu realisieren, muss das gesamte Unternehmen die Sicherheitsvorgaben einhalten. Leading Indicator könnten verwendet werden, um den Fortschritt sowohl im gesamten Unternehmen als auch in den einzelnen Abteilungen zu überwachen (Anzahl an Angriffen, wann wurden abgewehrte Angriffe etc.).  

Jedoch ist es unwahrscheinlich, dass das Portfolio WSJF dem Epic eine hohe Priorität einräumt, nur weil es groß ist; die Größe des Auftrags ist immer der wichtigste Faktor in einer WSJF-Berechnung. Wenn sich alle an die Prozesse halten, wird die Implementierung des Sicherheitssystems, wenn sie nie priorisiert wird, auch nie abgeschlossen. Das Unternehmen bleibt somit nicht sicherheitskonform.  

Mögliche Lösungen sind:  

  1. Die Prozesse so ändern, dass große Epics eine Chance auf Priorisierung haben. Es gibt Unternehmen die “Red Flags” verteilen. Wird so ein Epic zum Beispiel zweimal depriorisiert, darf die Flagge gezogen werden und beim dritten Mal muss es behandelt werden. Das geht aber nicht in jedem System, da es die Gefahr beinhaltet, dass das System sich untergräbt und jeder Manager sein eigenes Projekt pushed.  
  2. Die Arbeit so ändern, dass sie aus kleineren Teilen besteht, und den Gesamtwert separat verfolgen   

Zerteilung in mehrere kleine Epics  

Das Portfolio des WSJF sollte den kleineren Sicherheitssystem-Epics Priorität einräumen, weil sie klein sind. Das gibt den Epics eine Chance, priorisiert zu werden und die Arbeit zu erledigen. Die Verbindung zum eigentlichen Wert, nämlich der umfassenden Sicherheitskonformität, wird jedoch unterbrochen, da der Wert im Beispiel des Sicherheitssystems unteilbar ist: Entweder ist das gesamte Unternehmen sicher oder nicht. Das ist ein Problem, weil es keine Garantie dafür gibt, dass alle kleineren Sicherheits-Epics priorisiert werden, es sei denn, etwas hält sie zusammen.  

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie die kleineren Epics zusammengehalten werden können, damit der Fokus auf dem größeren Ziel erhalten bleibt. Die hier vorgeschlagenen Wege sind so nicht in Gänze durch SAFe beschrieben und damit vielleicht auch nicht vorgesehen. Wir haben aber die Erfahrung gemacht, dass es Blockaden auflöst und die Organisation in die Lieferung bekommt. Das ist in jedem Fall effektiver als ewige Methodendiskussionen. 

Aufrechterhaltung der Ausrichtung durch Portfolio-Vision und –Ergebnisse     

Die Portfolio-Vision kann genutzt werden, um sicherzustellen, dass alle am WSJF beteiligten Akteure verstehen, dass die Implementierung des Sicherheitssystems eine hohe Priorität hat. Dies erfordert, dass die Verantwortlichen des WSJF klug und fokussiert priorisieren. Es gibt jedoch keinen klaren Mechanismus, der die kleineren Epics zusammenhält und deren Fortschritt überwacht. Lean Portfolio Management muss sicherstellen, dass die Epics vorgezogen werden, und Roadmapping kann helfen, den rechtzeitigen Abschluss aller Epics vorherzusagen.

Die Implementierung des Sicherheitssystems kann als messbares Ziel im Portfolio festgelegt werden, wie beispielsweise „% des Unternehmens ist durch das neue Sicherheitssystem geschützt“. Hier kann die Kette zu den Strategic Themes geschlossen werden, die gerne auch als OKR formuliert sind.

Aufrechterhaltung der Ausrichtung durch einen Container

Eine weitere Möglichkeit zum Management von Epics besteht darin, einen Container um die Gruppe von Epics zu schaffen, der sie zusammenfasst und den Fortschritt verfolgt. In der folgenden Grafik wird diese Epic-Gruppierung als “Initiative” bezeichnet. Diesen Container sieht SAFe an dieser Stelle zwar so nicht vor, wir kennen das System aber bereits aus der Solution. Die Capability des Solution Trains, ist im Grunde genau das und behandelt selbige Herausforderung auf Solution Ebene – ein Container für mehrere Features in der Solution, die aber keine Geschäftshypothese sind.  

Es besteht immer eine gewisse Zurückhaltung, etwas Neues in das System der Arbeitselemente einzuführen, da dies eine zusätzliche Möglichkeit für Missverständnisse und Fehlanwendungen darstellt. In diesem Fall besteht die Gefahr, dass eine Initiative als eine weitere Hierarchieebene in der Arbeitsstruktur und nicht als Gruppierungsmechanik betrachtet wird. Auf einmal will dann auch jeder eine Initiative, weil es einfach größer ist, mehr “Management Attention”, tollerer Typ, Eck-Office und so. Kann alles ein legitimes Thema sein, hilft hier aber nicht weiter.   

Auf der linken Seite der Grafik wird die Unterteilung des Arbeitsstapels klassisch in die drei Ebenen Stories, Features und Epics vorgenommen.    

  • Stories ändern den Code, mechanische oder elektrische Designs, Marketingmaterialien oder andere Elemente, die von den Teams entwickelt und geändert werden.  
  • Features ändern das System oder die Lösung und stellen die veröffentlichbaren Produkte dar. Sie orientieren sich an den Nutzern und schaffen diesen neue Vorteile.  
  • Epics verändern das Unternehmen, denn sie stehen für die größten Veränderungen. Sie bilden eine Geschäftshypothese ab, die wir auf strategischer Ebene validieren oder falsifizieren wollen. Das sind unsere Großen Themen (ca. 6-18 Monate Laufzeit).  

Es gibt nichts Größeres als ein Epic, da die Veränderung des Unternehmens die bedeutendste Veränderung ist, die vorgenommen werden kann.  

Die rechte Seite der Grafik zeigt die Gruppierungskonstrukte, also unsere Container.   

  • Initative: Gruppiert eine Reihe von eng aufeinander abgestimmten Epics. Im Beispiel des Sicherheitssystems wird sie zum Träger des eigentlichen Wertes und der Metriken, um den realen Wert zu verfolgen, wenn das gesamte Vorhaben in kleinere Epics aufgeteilt wird.  
  • Capabilities: Gruppieren eine Reihe von Features, die eng miteinander verbunden sind und innerhalb desselben Programminkrements (PI) geplant und geliefert werden müssen, wobei die Features in verschiedenen ARTs der Solution sein müssen. Capabilities werden im Framework als Super-Features beschrieben, aber es wird wenig Kontext darüber gegeben, warum sie benötigt werden könnten. Mit der Überlegung aus diesem Artikel, sollte dir das Konzept dahinter leichter fallen.  

Die Einführung von Gruppierungsmechaniken wie Initiativen und Capabilities kann dazu beitragen, den Wert zu bewahren, wenn das Zerschneiden der Arbeit in kleinere Teile den ursprünglichen Wert zu zerstören droht.  

Fazit – Gruppierung bewahrt den Wert, wenn das Splitting den Wert zerstört hat  

Die Implementierung großer Vorhaben, stellt Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen. Epic-Slicing bietet hier eine wertvolle Methode, um diese komplexen Aufgaben in kleinere, handhabbare Teile zu zerlegen und so Effizienz und Transparenz zu erhöhen. Durch die Aufteilung in kleinere Epics wird die Priorisierung erleichtert und die Arbeit schneller erledigt.  

Um den Gesamtwert zu erhalten, sind Gruppierungsmechaniken wie Initiativen und Capabilities essenziell. Diese Mechaniken verhindern den Verlust des ursprünglichen Wertes und ermöglichen eine effektive Verfolgung des Fortschritts. Sie erfordern keine zusätzlichen Rollen, sondern Zusammenarbeit und kontinuierliche Abstimmung der Beteiligten.  

Durch eine klare Portfolio-Vision und messbare Ergebnisse bleibt die Ausrichtung erhalten, und große Projekte können erfolgreich und wertschöpfend umgesetzt werden.  

Achte darauf, dass nur sehr selektiert mit dieser “Macht” umgegangen wird. Sehr schnell kommen in Unternehmen hierdurch neue Rollen und neue Budgetierungs- und Priorisierungsmechanismen. Weitere Ebenen ermöglichen schließlich auch weitere Hierarchien. Dies wäre der falsche Weg, schließlich ist es das Ziel, gedanklich Probleme lösen und nicht neue schaffen.    

Wenn du weitere Fragen zu diesem Thema hast, melde dich gerne bei uns, oder schau dir unseren SAFe LPM Kurs an. Unsere nächsten Termine dafür findest du hier: